Höhlenlandschaften - Auf den wegen der intuition

Wenn wir in Verbundenheit mit der Welt leben, die uns umgibt, werden die Landschaften, die wir besuchen zu Spiegeln unserer Seele. In meinem Leben sind es immer wieder von Höhlen geprägte Landschaften, die mich rufen, berühren und mir das Gefühl geben, für Momente dem Geheimnis des Lebens näher und näher zu kommen.

Als ich mich vor fast 30 Jahren in die südspanische Stadt Granada verliebte, hatte ich die Höhlen des traditionellen Zigeunerviertels Sacromonte noch gar nicht entdeckt. Auch jenseits dieses von Agaven und Feigenkakteen bewachsenen Hügels mit den verwinkelten Gässchen strahlte die Stadt einen Zauber aus, der mich vom ersten Moment an in seinen Bann schlug.

Als ich einige Jahre später ein weiteres Mal meinen Urlaub in Granada verbrachte, stellte ich schnell fest, für welchen Teil der Stadt mein Herz am meisten schlug. Zu dieser Zeit wohnten nur noch wenige Gitanos in ihren traditionellen Höhlenwohnungen auf dem Sacromonte. Dafür waren viele ihrer traditionellen Behausungen renoviert und für Touristen hergerichtet worden. Und so erlebte ich zum ersten Mal, wie es sich anfühlt, im Inneren der Erde zu schlafen, zu träumen, zu fühlen. Die Erfahrung ging tief. Die Dunkelheit, der atmende Stein, die Innerlichkeit dieser äußeren Welt weckten Schatten in meinem Innern und traumähnliche Erinnerungen gruben ihren Weg in mein Bewusstsein. 

Eine Welt in der Tiefe

Es war vermutlich das erste Mal in meinem Leben, dass mir bewusst wurde, dass jenseits meiner bewussten Erinnerungen ein dunkles, weit verzweigtes Labyrinth existiert. In diesem Labyrinth schlafwandeln Schatten auf der Suche nach einem Weg ins Licht. Verborgen in den Tiefen nie besuchter Räume warten Schätze von unermesslichem Wert darauf gehoben zu werden.

Es war in jener Höhlenwohnung in Granada, in der ich das unterirdische Labyrinth zum ersten Mal erahnte. Jahre später, als ich bereits in Granada wohnte und selbstverständlich dauerhaft Quartier auf dem Sacromonte bezogen hatte, schien der von Höhlen durchzogene Berg von Zeit zu Zeit zu mir zu sprechen. Er sandte Bilder aus der Tiefe, die ich nicht verstand, die mich in gleichem Maße beunruhigten und faszinierten.

Auf den Wegen der Intuition

Zum damaligen Zeitpunkt nahm ich die sonderbare Wirkung, die dieser Berg aus weichen, leicht zu bearbeitendem Stein auf mich hatte, einfach nur wahr. Es dauerte Jahrzehnte, bis ich begann, ein Muster zu entdecken. Das war im Jahr 2022, als eine Kette merkwürdiger Umstände mich in einen Teil der südlichen Toskana führte, die geologisch durch den Tuffstein geprägt ist. Der weiche, leicht zu bearbeitenden Stein dieser Gegend trägt die architektonischen Gravuren der Etrusker. Diese gruben mit den sogenannten Vie Cave tief eingeschnittene Hohlwege in die Erde und die schroffen Felswände sind voll von Höhlen und Höhlengräbern.

Als ich beschloss, mich hier niederzulassen und fernab der großen Städte mit meiner Tochter das Experiment des Freilernens zu wagen, hatte ich keine Ahnung, dass meine Intuition mich ein weiteres Mal an einen Ort geführt hatte, dessen geographische Besonderheiten frappierende Ähnlichkeiten mit denen von Granada hatten. Eine Stunde Fahrt bis in die hohen Berge mit ihren Ski-Stationen, eine Stunde Fahrt hinunter bis zur Mittelmehrküste und in direkter Nähe die geheimnisvollen Hohlwege und Höhlen der Etrusker.

Vitozza, die verlorene Stadt

„Vitozza, die verlorene Stadt“ beherbergt die höchste Konzentration an Höhlen in dieser Gegend. Einige hundert Meter hinter dem kleinen Ort Sant Quirico liegt die einst blühende Höhlensiedlung mit ihren Burgen und der Ruine einer Kirche als Ort jenseits der Zeit. Die Legenden der Etrusker, die sich einst um Höhlen und rituellen Stätten woben, verlieren sich im Dunkel der Vorzeit. Bis ins 18. Jahrhundert hinein waren die Höhlen bewohnt, bevor ihre letzten Bewohnerinnen auf sagenumwobene Weise verschwanden. Auf einer Wanderung durch Vitozza scheint nichts naheliegender, als das man eines Tages durch einen Brunnen oder ein Kaninchenloch in eine andere Welt fallen könnte. Etwas ist hier und wirkt auf das Bewusstsein ein. Etwas, das entschleunigt und staunen lässt. Etwas, das uns die Welt mit neuen Augen sehen lässt, als wären wir zum ersten Mal hier. Es ist, als würde die Landschaft durch den Körper direkt zu unserer Seele sprechen und sagen: „Wach auf! Jenseits dessen, was deine Augen sehen können, liegt eine Welt voller Abenteuer und Wunder! Brich auf und öffne dich dem Staunen!“

Das Leben ein Traum

Das erste Jahr in der südlichen Toskana war eine fast traumähnliche Erfahrung, in der ich immer wieder auf Orte traf, in denen ein Echo der Vergangenheit nachzuhallen schien, in der Geschehnisse und Begegnungen sich als Symbole, Archetypen oder skurrile Metaphern zu präsentierten. 

Manchmal schien es mir, dass der Ort flüsterte „Wach auf, die Realität ist nicht, was sie zu sein scheint! All diese Landschaften, all diese Dinge sind Spiegel deiner Seele!“ und dann kicherte ein Mäuschen oder eine elegante silberne Spinne drehte sich in kunstvoller Poledance-Manier von der Badezimmerdecke nach unten – und mir war klar, dass es an der Zeit war, dass Netz des Lebens und all seine feinen, schimmerndenStränge der Verbindung mit neuen Augen zu betrachten.

Am Anfang war die Höhle

Doch wo sollte ich beginnen? Die naheliegende Antwort war: am Anfang. Am Anfang waren die Höhlen in Granada. Und dann, nach einer dunkeln Nacht der Seele, kam ein neuer Anfang und mit ihm die Höhlen von Vitozza.

 „Die Höhle ist der Ort, an dem das Unbewusste ans Licht kommt und die Seele sich wandelt“, hat Carl Gustav Jung gesagt. Für mich scheint sie der Geburtsort eines tieferen Verständnis des Lebens zu sein. Ein tief im Körper verankertes Verständnis der Wirklichkeit, das die immense Fülle dessen integrieren kann, was jenseits unserer Alltagswahrnehumung liegt. Ein dunkler Ort, an dem die Augen nicht sehen, der Kopf nicht räsonieren kann. Ein Ort, an dem wir tastend, fühlend unseren Weg durch innere Untiefen suchen, Schätze heben und mit etwas Glück Freundschaft mit unseren Dämonen schließen.

Das mag theoretisch klingen. Für mich scheint es dagegen eine direkte Übermittlung einer tiefen Wahrheit durch die Höhlen von Vitozza und die Vie Cave zu sein.

Vitozza, die verlorene Stadt

„Vitozza, die verlorene Stadt“ beherbergt die höchste Konzentration an Höhlen in dieser Gegend. Einige hundert Meter hinter dem kleinen Ort Sant Quirico liegt die einst blühende Höhlensiedlung mit ihren Burgen und der Ruine einer Kirche als Ort jenseits der Zeit. Die Legenden der Etrusker, die sich einst um Höhlen und rituellen Stätten woben, verlieren sich im Dunkel der Vorzeit. Bis ins 18. Jahrhundert hinein waren die Höhlen bewohnt, bevor ihre letzten Bewohnerinnen auf sagenumwobene Weise verschwanden. Auf einer Wanderung durch Vitozza scheint nichts naheliegender, als das man eines Tages durch einen Brunnen oder ein Kaninchenloch in eine andere Welt fallen könnte. Etwas ist hier und wirkt auf das Bewusstsein ein. Etwas, das entschleunigt und staunen lässt. Etwas, das uns die Welt mit neuen Augen sehen lässt, als wären wir zum ersten Mal hier. Es ist, als würde die Landschaft durch den Körper direkt zu unserer Seele sprechen und sagen: „Wach auf! Jenseits dessen, was deine Augen sehen können, liegt eine Welt voller Abenteuer und Wunder! Brich auf und öffne dich dem Staunen!“